Der Elefantenmensch

      Der Elefantenmensch



      Produktionsland: Großbritannien, USA
      Erscheinungsjahr: 1980
      Regie: David Lynch
      Länge: ca. 118 Minuten
      Freigabe: FSK 12
      Darsteller: Anthony Hopkins, John Hurt, Anne Bancroft, John Gielgud, Wendy Hiller, Freddie Jones, Michael Elphick, Hannah Gordon, Helen Ryan, John Standing, Dexter Fletcher, Lesley Dunlop


      Inhalt:

      Seit seiner Kindheit ist John Merrick furchtbar entstellt. Als „Elefantenmensch“ wird er auf Jahrmärkten vorgeführt und von seinem sadistischen „Besitzer“ gequält, bis ihn schließlich der Arzt Frederick Treves entdeckt und ihm Hilfe anbietet. John Merrick soll endlich wie ein Mensch leben.


      Trailer:

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      Meinung:

      Nach dem von Hollywood verschmähten, etwas konfus gekürzten Kultfilm „Eraserhead“, wo die Produzenten Gelder eingefroren hatten und der Film dann nicht so fertig gestellt wurde, wie Lynch es gerne hätte, da einige Szenen wie ein blutendes Hähnchen, diesen Produzenten zu krankes Material lieferte. Somit durfte David Lynch mit „Der Elefantenmensch“ einen neuen Versuch starten. Dieser Film wird auch komplett in schwarz/weiß ablaufen. Die Faszination geht zunächst von einem schwer atmenden Mann aus, der mit Kleidung verhüllt ist und einen gewissen Ekel ausstrahlt. Wie sich herausstellt, ist er auch völlig entstellt mit massiven Beulen im Gesicht und auf dem Kopf.
      Die flüsternde, beängstigende, düstere Sounduntermalung gibt es wie bei „Eraserhead“ streckenweise auch hier zu erleben. Der Elefantenmann ist anhand der Entstelltheit eine gruselige Erscheinung, wird aber im weiteren Verlauf einen sehr lieben Charakter zum Vorschein bringen.
      Einzig dem Horrorfilm dienlich sind die Folterspiele, welche der Elefantenmann über sich hinweggehen lassen muss, wie das einsperren unter angriffslustige Paviane oder das zwingen zu einem Kuss und das festhalten und abfüllen mit Alkohol. Dass die Trunkenbolde und der Dresseur einfach so laut aufbrausend in das Krankenhaus eindringen können und den Elefantenmenschen quälen dürfen, ohne das jemand vom Personal etwas mitbekommt, ist schon etwas fragwürdig. Ok, der Hausmeister war eingeweiht, aber scheinbar hat dieses Krankenhaus kein Personal des Nächtens, was den lauten Krach hätte mitbekommen können. Dies soll aber eher nur eine Randnotiz sein, die nur etwas unstimmig geraten ist
      Es gibt noch mehr entstellte Personen, wie Siamesische Zwillinge oder ein übergroßer Mensch, die im Zirkus arbeiten, aber nicht groß zur Show gestellt werden. Eingestaubt ist der Film nicht, er bietet aber auch keine Hochspannung, so dass man vollkommen gefesselt an der Klotze klebt, somit die sehr guten Bewertungen wohl auch etwas zu hoch gegriffen sind, aber auch nur einen Tick. Als Filmliebhaber sollte er jedenfalls gesehen werden. Wenn der Elefantenmann ernsthaft als „Romeo“ bezeichnet wird, dann ist dies schon ziemlich abgefahren. Die im zwischendrin aufgezeigten Traumvisionen des Elefantenmanns sind zudem am atmosphärischsten und zeigt dass sehr viel böses Blut in David Lynch fließen muss, was er in stock düsteren Visionen eines Filmes ausleben durfte, der ansonsten aber auch einen Tick zu lieb geworden ist, mit Ausnahme des Überfalls auf den Elefantenmann.

      7,5/10
      Der durch eine Krankheit verunstaltete John Merrick wird ständig von seiner Umwelt erniedrigt und gedemütigt. Frederick Treeves, ein bekannter Chirurg, ist fasziniert von der grotesken Erscheinung und bringt Merrick in seine Klinik. Dort muss er feststellen, dass dieser trotz seines abstoßenden Äußeren, ein empfindsamer und liebenswerter Mensch ist.


      Man kann es eigentlich gar nicht glauben, das dieser großartige Film unter der Regie von David Lynch entstanden ist, dessen andere Werke dem Zuschauer ansonsten immer wieder viele Rätsel und etliche Möglichkeiten der eigenen Interpretation ermöglichen. Ganz anders verhält es sich bei vorliegender Geschichte, die das Leben des sogenannten Elefantenmenschen Joseph Merrick erzählt, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirklich gelebt hat. Im Film erhält er den Namen John Merrick und wird von John Hurt dargestellt, dessen brillantes Schauspiel einer der absoluten Höhepunkte dieses filmischen Meisterwerkes darstellt. Neben ihm agiert ein ebenfalls herausragender Anthony Hopkins als Dr. Treeves, der den körperlich vollkommen deformierten Mann zuerst wohl aus reiner Faszination in seine Klinik bringt, um im Laufe der Zeit aber immer mehr festzustellen, das hinter der erschreckenden und abstoßenden Fassade ein emotionaler mensch steckt, der sein gesamtes Leben lanng immer nur ausgegrenzt und gedemütigt wurde und so nie eine echte Chance erhalten hat, ein wenigstens einigermaßen normales Leben zu führen.

      Es gibt sicherlich nicht viele Filme, die dem Zuschauer so dermaßen unter die Haut gehen und ihn sichtlich berühren, wie es in vorliegendem Werk der Fall ist. David Lynch hat es wirklich perfekt verstanden diese Biographie so authentisch wie möglich in Szene zu setzen, dazu zählt in erster Linie die s/w Umsetzung der Geschichte, die einem die zeitliche Ansiedlung des späten 19. Jahrhunderts authentisch und glaubwürdig näherbringt. Ein zweiter nicht unwesentlicher Aspekt ist sicherlich die Auswahl der Darsteller, die man insgesamt nur als absolut perfekt bezeichnen kann. Ist diese ergreifende Geschichte doch bis in die kleinsten Nebenrollen unglaublich gut besetzt und sämtliche Schauspieler können durch ihr dargebrachtes Schauspiel den gewonnenen Gesamteindruck noch einmal zusätzlich aufwerten, den man von diesem fantastischen Film gewonnen hat. Der dritte und meiner Meinung nach wichtigste Aspekt ist von Lynch besonders gut in den Vordergrund gerückt worden, hat er es doch brillant verstanden, die hässliche Seite der menschlichen Natur in den Mittelpunkt des Geschehens zu setzen. Kommt doch während der gesamten Laufzeit immer wieder die Sensationslust und die Ablehnung des Andersartigen des Menschen zum Vorschein, denn bis auf wenige Ausnahmen wird der Elefantenmensch von den meisten Leuten lediglich als Laune der Natur und keineswegs als Mensch angesehen, der lediglich durch eine nicht heilbare Krankheit körperlich vollkommen deformiert ist.

      Wenn man bedenkt, das es in der heutigen Zeit schon vollkommen ausreichend ist wenn man aus einem sozial schwächeren Umfeld kommt, um von Bessergestellten ausgegrenzt zu werden, dann kann man sich ansatzweise vorstellen, wie sich in der damaligen Zeit ein Mensch gefühlt haben muss, der so dermaßen andersartig ist, wie es in vorliegender Geschichte der Fall ist. Umso berührender und ergreifender ist es mitanzusehen, wie John Merrick richtiggehend aufblüht, nur weil er von einigen Personen mit Respekt und Gefühl wie ein ganz normaler Mensch behandelt wird. Durch stinknormale Kleinigkeiten wie Gespräche, etwas Aufmerksamkeit und einfache Geschenke werden in dem mann Gefühle ausgelöst, die insbesondere seine innere Verletztheit sehr stark in den Vordergrund rücken. So entsteht selbst beim Zuschauer eine Mischung aus Mitgefühl und dem Bedürfnis, diesen Mann einfach nur in den Arm zu nehmen und ihm dabei das Gefühl zu vermitteln, das er trotz seiner extremen körperlichen Entstellung ein wertvoller Mensch ist, der zudem noch über erstaunliche künstlerische Fähigkeiten verfügt und über eine nicht für möglich gehaltende Intelligenz verfügt. Als ihm dann auch noch durch die Mithilfe der englischen Königin seine Räumlichkeiten in der Klinik als neues Zuhause angeboten werden, scheint das Leben des John Merrick eine äusserst positive Wendung zu nehmen, wenn da nicht wieder die hässliche Seite der menschlichen Natur zuschlagen würde. Denn ein geldgieriger Mitarbeiter der Klinik veranstaltet immer wieder sogenannte "Führungen", indem er gegen Bezahlung sensationslüsterne Bekannte zum Elefantenmenschen führt, damit diese auf seine Kosten ihre Späße machen können.

      Besonders diese Passagen des Filmes gehen dem Zuschauer richtig unter die Haut und es überkommt einen eine Art Ohnmacht, da man hilflos mitansehen muss, wie der kranke Mann zum Spielball der johlenden Menge wird, die sich regelrecht an seinem Leid ergötzt. Unter den Schaulustigen befindet sich auch Merrick's ehemaliger "Besitzer", unter dem er jahrelang als Jahrmarktsattraktion herhalten musste, der ihn daraufhin entführt und mit nach Frankreich nimmt, um wieder Geld mit ihm zu verdienen. Doch durch die Mithilfe einiger anderer Missgestalteten gelingt ihm die Flucht und er kehrt wieder nach London in die Klinik zurück. Dennoch kann man sich denken, das die Geschichte kein Happy End nehmen wird, auch wenn Merrick noch einige Annehmlichkeiten eines normalen Lebens erfahren darf, wie beispielsweise einen Theaterbesuch, bei dem ihm sogar "Standing Ovations" zuteil werden. Und so erhält die von Haus aus schon äusserst tragische Geschichte um einen andersartigen Menschen in seiner Schlußeinstellung noch einmal einen zusätzlich tragischen Schub, sieht man doch den Versuch des Mannes, das erste Mal in seinem Leben in einer ganz normal liegenden Position einzuschlafen. Das Problem danei ist lediglich, das diese für jeden Menschen normale Stellung für ihn den sicheren Tod bedeutet, da er durch die enorme Größe seines Kopfes so nicht atmen kann und damit automatisch den qualvollen Erstickungstod herausfordert.

      Auch wenn man ansonsten eventuell manchmal etwas vorschnell mit dem Begriff Meisterwerk hantiert, so fällt einem auf die Schnelle wohl kaum ein Film ein, der diese Bezeichnung mehr verdient hätte wie dieser. David Lynch hat mit "Der Elefantenmensch" eine in allen Belangen herausragende und authentische Biographie geschaffen, die dem Betrachter aufgrund ihrer unzähligen emotionalen Momente sichtlich unter die Haut geht und einem sogar streckenweise die Tränen in die Augen treibt. Dies geschieht allerdings nicht ausschließlich durch Mitgefühl, sondern phasenweise auch aus Wut darüber, wie John Merrick hier von vielen menschen behandelt wird, die lediglich sein zugegebenermaßen abstossendes Äusseres sehen und zu keiner Zeit den sensiblen Menschen, der hinter der erschreckenden Fassade steckt. Und so ist "Der Elefantenmensch" ein Filmisches Erlebnis der ganz besonderen und intensiven Art, vor dem man sich nur ehrfurchtsvoll verneigen kann.


      Fazit:


      Dieses Meisterwerk von David Lynch versetzt einen immer wieder in ein wahres Wechselbad der Gefühle, die sich zwischen Anteilnahme und aufgestauter Wut bewegen. Durch das herausragende Schauspiel seiner Akteure erlangt der Film dabei eine unglaublich authentische Wirkung auf den Betrachter, der man sich beim besten Willen nicht entziehen kann. Die ergreifende und äusserst emotionale Verfilmung eines wahren Schicksals entfacht dabei eine fast schon erschreckende Intensität, die sich auch auf das eigene Sehverhalten auswirkt. Wer diesen wirklich fantastischen Film noch nicht kennen sollte, muss diesen Zustand unbedingt ändern, denn nur so kommt man in den Genuss eines wahrhaft meisterlichen Werkes, das zudem einen äusserst nachhaltigen Eindruck hinterlässt und immer wieder ein ganz besonderes Filmerlebnis darstellt.


      10/10