La Orca - Gefangen, geschändet, erniedrigt

      La Orca - Gefangen, geschändet, erniedrigt






      La Orca - Gefangen, geschändet, erniedrigt
      (La Orca)
      mit Rena Niehaus, Gabriele Ferzetti, Flavio Bucci, Carmen Scarpitta, Bruno Corazzari, Piero Faggioni, Piero Palermini, Michele Placido, Miguel Bose, Otello Toso, Jacopo Tecchi, Enzo Consoli
      Regie: Eriprando Visconti
      Drehbuch: Roberto Gandus / Lisa Morpurgo
      Kamera: Blasco Giurato
      Musik: Federico Monti Arduini
      ungeprüft
      Italien / Spanien / 1976

      Am helllichten Tag wird die junge Alice auf ihrem Weg zur Schule von drei Männern in ein Auto gezerrt und auf einen abgelegenen Bauernhof verbracht. Das Motiv der Entführer ist klar: Geld. Bange Tage werden zu Wochen, doch die Eltern des Mädchens scheinen zu keiner Zahlung bereit. Alice muss handeln, und ganz auf sich allein gestellt beginnt sie ein verführerisches Spiel mit ihrem Aufpasser Michele. Als die ersten Grenzen überschritten werden, eskaliert die Situation zu einem gefährlichen Tanz, an dessen Ende bittere Konsequenzen stehen...


      Nun dürfte gerade der deutsche Titel "Gefangen, geschändet, erniedrigt" bei vielen Leuten die Hoffnung auf einen reißerischen Thriller wecken, in dem es vor expliziten Gewaltdarstellungen nur so wimmelt, doch der Film von Eriprando Visconti bietet im Prinzip genau das Gegenteil. Anstelle einer actiongeladenen-und temporeichen Geschichte präsentiert sich vielmer eine Art Kammerspiel, das mit minimalen Mitteln eine maximale Wirkung beim Zuschauer erzielt. Durch seine eher ruhige-und bedachte Erzähl-Struktur entfaltet "La Orca" ein unglaublich starkes Gefühl der Beklemmung, das sich allein durch die Situation aufbaut, in der sich die Hauptfigur Alice befindet. Dabei verzichtet der Regisseur vollkommen auf visuelle Gewalt und setzt vielmehr auf einen Schauplatz, der von Beginn an Tristesse-und Hoffnungslosigkeit ausstrahlt. In einem leerstehenden und abbruchreifen Haus wird die junge Frau von 3 Männern gefangen gehalten, wobei sich insbesondere zwischen ihr und ihrem Aufpasser Michele (Michele Placido) eine ganz besondere Beziehung entwickelt. Der junge Mann unterscheidet sich nämlich ganz gewaltig von seinen beiden Kumpanen, bei denen es sich ganz offensichtlich um Gewohnheits-Verbrecher handelt, denn Michele ist eher ein Typ, der lediglich aus akkuten Geldproblemen in diesen Entführungsfall geraten ist.

      Der Großteil der Geschichte spielt sich in dem abbruchreifen Haus ab, wobei die beiden Hauptfiguren zumeist allein sind. Ziemlich schnell wird dem Betrachter klar, das sich zwischen den beiden etwas entwickeln wird, liegt doch die gante Zeit eine knisternde erotische Spannung über dem Geschehen, die sich nach einer gewissen Zeit auch entladen soll. Es ist jedoch keinesfalls so, das die junge Alice geschändet wird, denn sie vollzieht vollkommen freiwillig den Geschlechtsakt mit ihrem Bewacher, der dem Mädchen immer mehr verfällt. Gleichzeitig steht jedoch auch eine gewisse Erniedrigung im Raum, die sich immer wieder in den Szenen zu erkennen ist, in denen Michele die junge Frau unter strengster Bewachung auf die Toilette begleitet, um die Kontrolle über die Situation zu behalten. Selbst diese kleinen Passagen sind vollkommen ausreichend, um das Gefühl einer Demütigung zu suggerieren, ist Alice doch mit Handschellen gefesselt, so das Michele die üblichen Reinigungs-Arbeiten nach dem Toilettengang für sie übernehmen muss. Der Kontrast zwischen einer anscheinend aufkeimenden Liebesbeziehung und den erniedrigenden Szenen hinterlässt einen sehr zwiespältigen Eindruck beim Betrachter, den man phasenweise nur schwerlich einordnen kann. Entwickelt das Opfer hier wirklich echte Gefühle für ihren Bewacher, oder spielt sie ihm das alles nur vor, um ihn zum richtigen Zeitpunkt entscheidend zu manipulieren, damit sich eventuell eine Fluchtmöglichkeit bietet?

      Das diese Frage durchaus ihre Berechtigung hat, wird einem ganz am Ende eindrucksvoll vor Augen geführt, denn die Konsequenzen der scheinbar aufkeimenden Freundschaft zwischen den beiden schlagen eine nahezu tragische Wendung ein. In der Zwischenzeit wird man jedoch mit einem grandiosen Kammerspiel konfrontiert, das sich fast ausschließlich auf die beiden Hauptfiguren bezieht. Die beiden anderen Entführer erscheinen eher sporadisch auf der Bildfläche und auch die Hintergründe über die Entführung bleiben eher im Dunkeln. In dieser Beziehung bekommt man lediglich einige kleine Brocken hingeworfen, die allerdings keine wirklichen Erklärungen über die Hintermänner des Ganzen offenbaren. Bis auf eher wenige Andeutungen wird dieser Aspekt der Geschichte fast gänzlich vernachlässigt, was ich persönlich aber sogar als Vorteil für das gewonnene Gesamtbild ansehe. Böse Zungen könnten nun behaupten, das die Szenerie dadurch etwas unvollständig erscheinen könnte und in gewisser Weise ist das wohl auch richtig, andererseits kann man sich aber ganz auf das Wesentliche konzentrieren und das ist nun einmal die außergewöhnliche Beziehung zwischen Alice und Michele.

      Ganz generell ist hier das dargebotene Schauspiel zu loben, insbesondere Michele Placido und Rena Niehaus drücken diesem außergewöhnlichen Film ihren ganz persönlichen Stempel auf. Doch auch sämtliche anderen Rollen sind sehr gut besetzt, so das es bei diesem Punkt keinerlei Grund zur negativen Kritik gibt. "La Orca" ist sicherlich ein Werk das die Meinungen stark spalten wird und manch einer wird durch den deutschen Titel ganz bestimmt mit vollkommen falschen Erwartungen an dieses Werk herangehen. Wenn man sich jedoch auf das Geschehen und vor allem den tristen Schauplatz der Geschichte einlassen kann, wird man mit einem intensiven-und kraftvollen Szenario belohnt, das gänzlich ohne harte-und brutale Effekte auskommt und seine Kraft aus der Situation an sich bezieht, die absolut erstklassig ins Bild gesetzt wurde. Mit den bescheidendsten Mitteln wurde hier eine maximale Wirkung erzielt, so das sich letztendlich ein Film-Erlebnis präsentiert, das man unbedingt gesehen haben sollte.


      Fazit:


      Wenn man sich nicht vom deutschen Titel des Filmes in die irre führen lässt und sich auf ein eher ruhiges Kammerspiel einlassen kann, dann kann man mit "La Orca" überhaupt nichts falsch machen. Für mich persönlich handelt es sich um eine weitere Perle des italienischen Kinos, die dank Camera Obscura auch eine würdige DVD-Veröffentlichung erhalten hat.


      8,5/10