[b]Liebeslieder für den Metzgermeister[/b]
1. Teil
„Hallo! Und jetzt alle!“ Michael heizte den Saal an. 1000 schunkelwütige Schlagerfans tobten und sangen lauthals mit:
Zum Frühstück ein Stück von dir,
zum Mittag noch ein bisschen mehr,
zum Abendbrot will ich dich ganz,
Liebling, ich liebe dich so sehr.
„Wir danken euch, ihr seid die Besten. Das beste Publikum, das wir je hatten! Kommt gut nach Hause“ Cindy und Michael verbeugten sich. Das Playback wurde ausgeblendet. Frenetischer Applaus donnerte durch die Halle. Die beiden Stars der deutschen Schlagerszene verließen die Bühne, das Publikum forderte weitere Zugaben. Cindy und Michael kamen noch einmal zurück um ihren Hit „Wenn du gehst, behalt ich etwas von dir hier“ zu intonieren.
Wenn du gehst,
dann behalt ich ein Stück von dir hier.
Wenn du gehst,
dann gehst du nie ganz.
Etwas bleibt hier bei mir,
in meiner Erinnerung,
da wirst du nie vergehen.
Jetzt war aber wirklich Schluss. Cindy und Michael verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg in die Garderobe.
Das Duo befand sich im Zenit ihres Erfolges. Abend für Abend ausverkaufte Häuser, Hallen, Arenen. Auftritte in den größten TV- Shows. Joachim Henzel, Florian Silberkreisel und Marion und Markus zählten zu ihren Gastgebern.
Dabei ging es dem Duo nicht immer so gut wie jetzt. Michael war eigentlich Fleischer, Fleischermeister sogar und kam aus einem Kuhkaff in der Nähe von Dresden. Sein betrieb ging pleite nach der Wende. Außerdem starb das Dorf wie so viele andere, langsam aus. Und von den verblieben 200 Einwohnern, die ihr Fleisch im Supermarkt in der Stadt für einen Bruchteil des Geldes bekamen, welches er verlangte, konnte man auch nicht leben. Dazu kamen Probleme mit seiner Frau. Sie hatte ihn erwischt, als er sich von einem Gesellen im Lager seines ehemaligen Betriebes einen blasen ließ. Lange hatte er seine Bisexualität verstecken können. Aber dann war eben die Bombe geplatzt. Es folgte eine schwere Zeit, in der er als Schlächter in einem Großbetrieb arbeiten musste. Leider erwischte man ihn, wie er einem toten Schwein im Kühlraum ins Gesicht wichste. Er hatte Glück, dass er nur gekündigt wurde.
Cindy war ebenso ein gezeichnetes Kind. Kein Schulabschluss, keine Lehre, dann in Leipzig auf dem Straßenstrich. Alkohol, Drogen, Abhängigkeiten. Die ganze Palette menschlicher Verfänglichkeiten. Während einer Razzia in einem illegalen Bordell in Leipzig wurde sie verhaftet, kam in den Entzug, in psychologische Behandlung und wurde dann von ABM zu ABM, von Eurojob zu Eurojob geschoben.
Die ersten zehn Jahre nach der Wende waren für beide keine Zeit der Freude. Eher des Schmerzes und Versagens. Die Zeit hatte sie zu klassischen Verlierern geformt.
Anfang 2000 lernten die beiden sich dann in einer Kneipe kennen. Cindy war gerade wieder dem Alkohol verfallen und Michael tat alles, um seiner Leber den selbigen Weg zu ebenen. Auf der kleinen Bühne der Kneipe intonierte ein Alleinunterhalter jämmerliche Coverversionen bekannter Schlager. Spätestens bei Jugendhiebe war es um die beiden Anfang vierziger geschehen. Die Liebe hatte sie am Kragen gepackt und noch am gleichen Abend entstand die Idee, dass man das mit dem Nachsingen auch könnte. Sie trafen sich bei Michael, der damals noch in dem Kuhkaffe in einem verfallenen Einfamilienhaus hauste, und probten gemeinsam. Bald schon tingelten sie durch dreckige Dorfkneipen, die nie ihren hässlichen DDR-Charme hatten ablegen können. Auch fing Michael an, sein bescheidenen Talent, selber Lieder schreiben zu können, zu entdecken. Cindy erfand Texte und 2002 nahmen sie ihre erste CD auf, die sich auf Dorffesten voller sich prügelnder Dorffaschisten und alkoholisierten geiler Bauern, prächtig verkaufte. Dann ging alles sehr schnell. Ein gemeinsamer Auftritt im Vorprogramm der Flickers brachte den Durchbruch. Große Auftritte folgten und seit 2004 zählten sie zu den ganz Großen der Szene. Ihre öffentliche Heirat 2003 im „Musikantenstall der Schlagermusik“ verpasste ihrer Karriere noch einmal den nötigen kultigen Antrieb.
***
Es klopfte an die Tür des Backstageraumes.
„Ja, einen Moment bitte!“ Michael zog sich eine Bundeswehrtrainingsjacke über und öffnete die Tür.
„Guten Abend Michael. Das war ein sehr schönes Konzert heute Abend. Könnte ich bitte ein Autogramm haben?“ Die dickliche, etwa dreißig jährige Frau hielt Michael einen Edding und zwei CDs unter die Nase.
„Cindy, hier möchte jemand ganz besonderes ein Autogramm!“
„Ja, ich komme!“
„Für wenn soll es denn sein?“, fragte Michael.
„Einmal für mich, also für Sandra. Und die zweite bitte für meine Freundin. Für Tina.“
„Wo ist denn deine Freundin?“, fragte Cindy.
„Oh, die ist Zuhause. Sie konnte leider nicht kommen. Sie hatte kein Geld. Sie wissen schon, Hartz IV und so.“
„Das tut mir aber leid.“ Michael setzte seine Beileidsmine auf. „Ich mache dir einen Vorschlag. Komm doch einfach mit deiner Freundin bei uns am Sonntag zum Kaffee vorbei.“
„Wirklich?“ Sandra standen die Tränen in den Augen.
„Ja, hier ist meine Karte. Da steht die Adresse drauf. Seid bitte um vierzehn Uhr da. Aber tut euch selbst einen gefallen, und erzählt es niemanden.“ Sandra hielt ihre beiden CDs ganz fest und war überglücklich. Würde sie bis Sonntag auch nur ein Auge zubekommen?
***
„Scheiße Micha, die Melodie ist Mist!“ Cindy war stocksauer. „Wir haben eine Menge Geld dafür ausgegeben und dann liefert und dieser Dieter Anders ein Kinderlied für drei Jährige ab!“
„Schatz, beruhig dich. Ich teil das morgen unserer Plattenfirma mit. Die sollen das Geld zurückfordern. Ich hatte ja von Anfang an Bedenken, ein Lied von den Typen schreiben zu lassen, der mal bei eine Gruppe mit dem Namen Auslaufmodell gespielt hat.“ Michael nahm seine Frau in die Arme. „Du siehst blendend aus Schatz. Ich liebe dich. Lass uns für heute aufhören.“
„Ist gut Liebling. Ich habe auch Hunger. Lass uns was Essen gehen.“
1. Teil
„Hallo! Und jetzt alle!“ Michael heizte den Saal an. 1000 schunkelwütige Schlagerfans tobten und sangen lauthals mit:
Zum Frühstück ein Stück von dir,
zum Mittag noch ein bisschen mehr,
zum Abendbrot will ich dich ganz,
Liebling, ich liebe dich so sehr.
„Wir danken euch, ihr seid die Besten. Das beste Publikum, das wir je hatten! Kommt gut nach Hause“ Cindy und Michael verbeugten sich. Das Playback wurde ausgeblendet. Frenetischer Applaus donnerte durch die Halle. Die beiden Stars der deutschen Schlagerszene verließen die Bühne, das Publikum forderte weitere Zugaben. Cindy und Michael kamen noch einmal zurück um ihren Hit „Wenn du gehst, behalt ich etwas von dir hier“ zu intonieren.
Wenn du gehst,
dann behalt ich ein Stück von dir hier.
Wenn du gehst,
dann gehst du nie ganz.
Etwas bleibt hier bei mir,
in meiner Erinnerung,
da wirst du nie vergehen.
Jetzt war aber wirklich Schluss. Cindy und Michael verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg in die Garderobe.
Das Duo befand sich im Zenit ihres Erfolges. Abend für Abend ausverkaufte Häuser, Hallen, Arenen. Auftritte in den größten TV- Shows. Joachim Henzel, Florian Silberkreisel und Marion und Markus zählten zu ihren Gastgebern.
Dabei ging es dem Duo nicht immer so gut wie jetzt. Michael war eigentlich Fleischer, Fleischermeister sogar und kam aus einem Kuhkaff in der Nähe von Dresden. Sein betrieb ging pleite nach der Wende. Außerdem starb das Dorf wie so viele andere, langsam aus. Und von den verblieben 200 Einwohnern, die ihr Fleisch im Supermarkt in der Stadt für einen Bruchteil des Geldes bekamen, welches er verlangte, konnte man auch nicht leben. Dazu kamen Probleme mit seiner Frau. Sie hatte ihn erwischt, als er sich von einem Gesellen im Lager seines ehemaligen Betriebes einen blasen ließ. Lange hatte er seine Bisexualität verstecken können. Aber dann war eben die Bombe geplatzt. Es folgte eine schwere Zeit, in der er als Schlächter in einem Großbetrieb arbeiten musste. Leider erwischte man ihn, wie er einem toten Schwein im Kühlraum ins Gesicht wichste. Er hatte Glück, dass er nur gekündigt wurde.
Cindy war ebenso ein gezeichnetes Kind. Kein Schulabschluss, keine Lehre, dann in Leipzig auf dem Straßenstrich. Alkohol, Drogen, Abhängigkeiten. Die ganze Palette menschlicher Verfänglichkeiten. Während einer Razzia in einem illegalen Bordell in Leipzig wurde sie verhaftet, kam in den Entzug, in psychologische Behandlung und wurde dann von ABM zu ABM, von Eurojob zu Eurojob geschoben.
Die ersten zehn Jahre nach der Wende waren für beide keine Zeit der Freude. Eher des Schmerzes und Versagens. Die Zeit hatte sie zu klassischen Verlierern geformt.
Anfang 2000 lernten die beiden sich dann in einer Kneipe kennen. Cindy war gerade wieder dem Alkohol verfallen und Michael tat alles, um seiner Leber den selbigen Weg zu ebenen. Auf der kleinen Bühne der Kneipe intonierte ein Alleinunterhalter jämmerliche Coverversionen bekannter Schlager. Spätestens bei Jugendhiebe war es um die beiden Anfang vierziger geschehen. Die Liebe hatte sie am Kragen gepackt und noch am gleichen Abend entstand die Idee, dass man das mit dem Nachsingen auch könnte. Sie trafen sich bei Michael, der damals noch in dem Kuhkaffe in einem verfallenen Einfamilienhaus hauste, und probten gemeinsam. Bald schon tingelten sie durch dreckige Dorfkneipen, die nie ihren hässlichen DDR-Charme hatten ablegen können. Auch fing Michael an, sein bescheidenen Talent, selber Lieder schreiben zu können, zu entdecken. Cindy erfand Texte und 2002 nahmen sie ihre erste CD auf, die sich auf Dorffesten voller sich prügelnder Dorffaschisten und alkoholisierten geiler Bauern, prächtig verkaufte. Dann ging alles sehr schnell. Ein gemeinsamer Auftritt im Vorprogramm der Flickers brachte den Durchbruch. Große Auftritte folgten und seit 2004 zählten sie zu den ganz Großen der Szene. Ihre öffentliche Heirat 2003 im „Musikantenstall der Schlagermusik“ verpasste ihrer Karriere noch einmal den nötigen kultigen Antrieb.
***
Es klopfte an die Tür des Backstageraumes.
„Ja, einen Moment bitte!“ Michael zog sich eine Bundeswehrtrainingsjacke über und öffnete die Tür.
„Guten Abend Michael. Das war ein sehr schönes Konzert heute Abend. Könnte ich bitte ein Autogramm haben?“ Die dickliche, etwa dreißig jährige Frau hielt Michael einen Edding und zwei CDs unter die Nase.
„Cindy, hier möchte jemand ganz besonderes ein Autogramm!“
„Ja, ich komme!“
„Für wenn soll es denn sein?“, fragte Michael.
„Einmal für mich, also für Sandra. Und die zweite bitte für meine Freundin. Für Tina.“
„Wo ist denn deine Freundin?“, fragte Cindy.
„Oh, die ist Zuhause. Sie konnte leider nicht kommen. Sie hatte kein Geld. Sie wissen schon, Hartz IV und so.“
„Das tut mir aber leid.“ Michael setzte seine Beileidsmine auf. „Ich mache dir einen Vorschlag. Komm doch einfach mit deiner Freundin bei uns am Sonntag zum Kaffee vorbei.“
„Wirklich?“ Sandra standen die Tränen in den Augen.
„Ja, hier ist meine Karte. Da steht die Adresse drauf. Seid bitte um vierzehn Uhr da. Aber tut euch selbst einen gefallen, und erzählt es niemanden.“ Sandra hielt ihre beiden CDs ganz fest und war überglücklich. Würde sie bis Sonntag auch nur ein Auge zubekommen?
***
„Scheiße Micha, die Melodie ist Mist!“ Cindy war stocksauer. „Wir haben eine Menge Geld dafür ausgegeben und dann liefert und dieser Dieter Anders ein Kinderlied für drei Jährige ab!“
„Schatz, beruhig dich. Ich teil das morgen unserer Plattenfirma mit. Die sollen das Geld zurückfordern. Ich hatte ja von Anfang an Bedenken, ein Lied von den Typen schreiben zu lassen, der mal bei eine Gruppe mit dem Namen Auslaufmodell gespielt hat.“ Michael nahm seine Frau in die Arme. „Du siehst blendend aus Schatz. Ich liebe dich. Lass uns für heute aufhören.“
„Ist gut Liebling. Ich habe auch Hunger. Lass uns was Essen gehen.“