Die Leoparden kommen

      Die Leoparden kommen

      Die Leoparden kommen



      Originaltitel : Il Dito Nella Piaga

      Alternativtitel : Im Vorfeld der Hölle

      Herstellungsland : Italien (1969)
      Genre : Kriegsfilm
      Lauflänge : 88 Minuten (griechische Fassung) / 80 – 83 Minuten (deutsche VHS-Fassungen)
      Freigabe : ab 16 Jahren

      Regie : Tonino Ricci
      Drehbuch : Piero Regnoli. Tonino Ricci
      Musik : Riz Ortolani

      Darsteller :
      Klaus Kinski
      George Hilton
      Ray Saunders
      Betsy Bell
      Enrico Pagano
      Bruno Adinolfi
      Roberto Pagano





      Inhalt :
      Unteroffizier Brian Haskins und Soldat John Grayson haben vom Morden die Schnauze voll. Sie wollen raus aus der erbarmungslosen Kriegsmaschinerie der US-Armee und ... sollen dafür mit dem Leben bezahlen. Auf dem Exekutierplatz, den Tod vor Augen, gelingt ihnen in letzter Sekunde die Flucht. Völlig erschöpft finden sie Unterschlupf im Vorfeld der Kriegshölle, einer verträumten italienischen Kleinstadt. Hier endlich können sie wieder menschliche Züge zeigen. Doch die deutschen Truppen rücken immer näher und der Killerinstinkt kehrt in ihnen zurück ... (VHS-Klappentext)


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      Bewertung :
      Kriegsfilme sind in der Regel nicht so mein Fall, da sie entweder stupide und langweilig oder extrem heldenhaft und Gewalt verherrlichend sind. Sicher treffen diese Attribute auch phasenweise auf Kinskis „Die Leoparden kommen“ (Video-Titel: „Im Vorfeld der Hölle“) zu, doch wenn der Zuschauer genügend Geduld mitbringt und auf die Feinheiten achtet, weist dieser Film eine gehörige Portion Tiefgang und vor allem schauspielerische Glanzleistungen auf.
      Der sonst eigentlich eher unauffällige George Hilton zeigt hier, dass er doch zu guten Leistungen im Stande ist und setzt somit die guten Ansätze aus „Das Gold von Sam Cooper“ (ebenfalls mit Kinski) fort. Die beiden Hauptakteure Klaus Kinski und Ray Saunders (beide agierten später in „Adios Companeros“ noch einmal zusammen in einem Film) liefern sich das packende Duell zweier Meister ihres Fachs, die mit den einfachsten Mitteln der Mimik den Film an die Spitze der unterbewertesten Filme bringen.

      Fazit : 10 / 10

      Ausführliches Review und weitere Filmbilder im nächsten Post, da es sonst zu unübersichtlich wird.


      Ausführliches Review zu "Die Leoparden kommen" (Achtung : Spoiler !!!) :

      Kinski als Corporal Brian Haskins und Saunders als Soldat John Calvin Grayson haben – neben hunderten von gravierenden Unterschieden – vor allen Dingen auch eine Gemeinsamkeit: sie sind beide von ihrer eigenen Armee zum Tode verurteilt worden. Grayson war eines Tages total durchgedreht und hatte eine ganze Meute sich ergebender deutscher Soldaten mit einer Maschinengewehr-Salve niedergemacht und anschließend noch im Affekt seinen kommandierenden Vorgesetzten getötet. Haskins wiederum war in Häuser von Zivilisten eingebrochen und hatte mehrere Diebstähle begangen. Bei einem seiner Beutezüge hatte er zudem noch eine alte Frau erschossen und sich während seiner Dienstzeit mit einer hübschen jungen Frau vergnügt. Alles zusammen brachte den beiden Soldaten die Todesstrafe ein.
      Das Urteil vollstrecken soll der neu zum Bataillon abkommandierte Lieutenant Michael Sheppard (Hilton). Dieser ist ein Westpoint-Absolvent, von sich extrem eingenommen und den Krieg immer noch durch eine rosa Brille betrachend. Dass der Krieg kein Zuckerschlecken ist muss Sheppard schon bald bemerken. Das Erschießungskommando gerät in einen Hinterhalt der Deutschen und nur Sheppard selbst und die beiden Todeskandidaten können entkommen. Auf der Flucht vor ihren Häschern muss sich das Trio wider ihres eigenen Willens zusammen raufen.
      Hatten sich Haskins und Grayson anfangs noch gegenseitig bekämpft, so arbeiten sie jetzt, wenn auch ungerne, miteinander. Auf der einen Seite der dunkelhäutige Grayson, streng gläubig und verschlossen, der den Wahnsinn dieses unsinnigen Krieges nicht mehr ertragen konnte. Und dann der anscheinend zynische Haskins, der den Richter, der das Todesurteil über ihn verhängte, lauthals auslachte. Haskins hat keinerlei Respekt vor niemanden, ist arrogant und überlegen und hat stets das letzte Wort. Dazu gesellt sich noch Sheppard, der nur schwerlich akzeptieren kann, dass er nicht mehr das Sagen hat.
      Nachdem das Trio mehrere brenzliche Situationen überstanden hat, erreichen sie ein kleines italienisches Dorf. Die Bewohner glauben in den Amerikanern die ersehnte Befreiungsmacht zu erkennen und feiern die Drei wie Helden. Keiner hat den Mut, den Bewohnern zu erklären, das außer ihnen kein weiterer Amerikaner erscheinen wird und sie selbst nur Flüchtlinge sind.
      Sheppard kann wieder den großen Macker mimen, während Grayson sich mit einem kleinen Waisenjungen anfreundet und das erste Mal nach langer Zeit wieder Zutrauen zu einem anderen Menschen findet. Haskins bändelt mit einer jungen Italienerin an. Während es anfangs so aussieht, als ob er nur auf Sex aus ist, zeigt sich bald die andere und wirkliche Seite des Corporal Haskins. Im Grunde ist er einsam und versteckt seine eigene Mutlosigkeit und Verzweiflung nur hinter der Maske des coolen Soldaten.
      Doch Haskins wird trotz der Zuneigung zu der jungen Daniele wieder rückfällig und versucht die Dorfbewohner zu bestehlen. Er wird von Sheppard und Grayson überrascht und muss voller Scham die Sinnlosigkeit seiner Existenz erkennen. Doch bevor er die Chance zur Wandlung bekommt, fallen die Deutschen in das Dorf ein und beginnen ihren blutigen Feldzug.
      Die drei Amerikaner stellen sich mit aller Macht und dem Mute der Verzweiflung gegen die Übermacht. Und es gelingt ihnen anfangs tatsächlich den Feind zurückzudrängen. Als dann jedoch Daniele getötet wird, dreht Haskins durch. Nur mit einem Maschinengewehr bewaffnet stürzt er sich auf die mit Panzern anrückenden Deutschen. Nachdem er mehrere Gegner getötet hat wird Haskins schließlich das Opfer seiner Feinde. Und Grayson stirbt bei dem Versuch seinen kleinen Freund vor den Kugeln der Deutschen zu schützen. Sheppard, der sonst immer fast ängstlich bei Gefechten reagierte, springt über seinen eigenen Schatten und rettet den Jungen. Als schon fast alles zu spät ist kommt doch noch die amerikanische Armee und schlägt die Deutschen zurück.
      Sheppard wird für seine Heldentaten geehrt und mit Orden behängt. Doch nachdem er erst alles daran gesetzt hatte, Haskins und Grayson nach dem ersten fehlgeschlagenen Versuch, einem weiteren Erschießungskommando zu übergeben, hat er jetzt dafür gesorgt, dass die Beiden für ihren Mut und ihre selbstlose Aufopferung posthum die höchsten soldatischen Ehren erhalten. In der Schlusseinstellung sieht man Sheppard am Grab von Haskins und Grayson stehen. Er nimmt seinen eigenen Orden ab und legt ihn auf das Grabkreuz der beiden Männer, die ihm die Sinnlosigkeit dieses Krieges gezeigt haben …

      Oberflächlich betrachtet hatte ich immer gedacht, dass „Die Leoparden kommen“ ein x-beliebiger Kriegsfilm ist. Doch nach mehrmaligem Anschauen wird deutlich, dass durch die intensiven Darstellungen von Klaus Kinski und Ray Saunders hier ein kleines Meisterwerk entstanden ist. Die Figuren der Beiden erfahren im Laufe des Films eine ungeheure Wandlung, die auch sehr überzeugend dargestellt wird. Und auch Hilton vermag seiner Figur diese Art der Klasse zu verleihen.
      Kinski liefert in der Tat eine beinahe Oscar-reife Leistung ab. Während er zu Beginn arrogant und widerlich erscheint, zeigt er nachher seine verletzliche und zerbrechliche Seite. Plötzlich ist er fähig zu lieben und hängt doch mehr am Leben, als man es für möglich gehalten hätte. Der Mann schafft es, auch aus der an sich unbedeutensten Rolle eine grandiose Figur zu erschaffen. Niemals wieder werde ich die Szene vergessen, als sich Kinski (nachdem man seine geliebte Daniele erschossen hat) mit bloßen Fäusten und einem Gewehr auf einen Panzer (!) stürzt. Mit Fieber in den Augen ballert er wild um sich, der Feind ist viel zu überrascht, um auf den Wahnsinnigen zu reagieren. Erst nach geraumer Zeit wird Kinski / Haskins doch noch getötet. Zuvor war er direkt auf die Fahrerluke im Panzer zugerannt und hatte sein Gewehr in die Öffnung gehalten und abgedrückt. Als er dann selbst erschossen wird sieht man Kinski mit weit aufgerissenen Augen direkt vor der Kamera krepieren. Natürlich ist das alles maßlos Gewalt verherrlichend. Aber was für eine Darstellung !

      In seinen Memoiren beschreibt Kinski, wie ein kleiner, vietnamesischer Junge auf ihn zukam. Beide verstanden die Sprache des Anderen nicht, doch der Kleine spielte die eben geschilderte Szene nach – er hatte Kinski in diesem Film gesehen und war so beeindruckt gewesen, dass er mit Händen und Füßen versuchte, dem Schauspieler zu vermitteln, dass er ihm durch seine Darstellung etwas gegeben hatte. Für Klaus Kinski bedeutete die Anerkennung durch einen kleinen vietnamesischen Jungen tausendmal mehr als irgendein hochdotierter Filmpreis, der ihm von irgendeinem Komitee verliehen wurde.
      Und daran zeigte sich wieder deutlich, für wen Kinski seine Filme machte. Nicht für die Kritiker oder die unzähligen Komitees, deren Gnade und Wohlwollen heutzutage jeder Darsteller unterliegt. Nicht für Regisseure und Drehbuchheinis, sondern für die Menschen, die bereit sind, sich auf ihn und seine Gabe einzulassen. Menschen die bereit sind, sich auf eine Reise in das Gefühlsleben des Klaus Kinski zu begeben. Auch wenn Kinski selbst das herzlich selten zugeben wollte und stets vorgab, Filme ausschließlich für sich selbst und seine Geldbörse zu drehen.



      So hat ein an sich unbedeutender Streifen wie „Die Leoparden kommen“ in der Filmografie von Klaus Kinski eine wichtige Rolle. Einen Stellenwert, der erst auf den zweiten oder dritten Blick deutlich wird. Und zweifelsohne darf man hier von einer der grandiosesten Darstellungen Kinskis sprechen. Viel zu oft neigt man dazu, nur die bekannten Rollen Kinskis wie den Nosferatu, den Woyzeck oder den Ripper herauszuheben. Doch gerade wenn ich ihn in solchen kleinen, fast schon vergessenen Filmen sehe, stelle ich erneut fest, was für eine Ausstrahlung und Intensität Kinski auch in die minimalste Aktion legte.
      Fazit: Wer diesen Film bis dato verpasst hat, sollte das Versäumte schnellstens nachholen. „Die Leoparden kommen“ ist mit großem Abstand der beste aller Kriegsfilme, die Klaus Kinski gedreht hat.