El Topo



      El Topo
      (El Topo)
      mit Alejandro Jodorowsky, Brontis Jodorowsky, José Legarreta, Alfonso Arau, José Luis Fernández, Alf Junco, Gerardo Zepeda, René Barrera, René Alís, Federico Gonzáles, Vicente Lara, Pablo Leder, Giuliano Girini Sasseroli
      Regie: Alejandro Jodorowsky
      Drehbuch: Alejandro Jodorowsky
      Kamera: Rafael Corkidi
      Musik: Alejandro Jodorowsky / Nacho Méndez
      keine Jugendfreigabe
      Mexiko / 1970

      Der ganz in Schwarz gekleidete Revolverheld El Topo hält sich für einen Gott und zieht zusammen mit seinem siebenjährigen Sohn Brontis , der ihn nackt begleitet, durch die Gegend. Auf ihrer Reise passieren sie ein Dorf, in dem unfassbar grausame Taten verübt wurden. Die Dorfbevölkerung wurde bis auf einen Überlebenden ausgelöscht. Der Überlebende schickt die beiden zu einem Franziskaner-Kloster, wo sich die Täter verschanzt haben. Dort angekommen erschießen El Topo und sein kleiner Junge die Ganoven. Dann nimmt sich der rächende Revolverheld die Geliebte des Anführers, Mara , gewaltsam zu seiner Frau. Doch diese verdreht El Topo den Kopf und stiftet ihn zu Morden an. Schon bald kann er nicht mehr unterscheiden, aus welchen Motiven er mordet.

      War schon Alejandro Jodorowsky's Erstling "Fando & Lis" ein wahrer Genuss, so wird dieser Eindruck im 3 Jahre später erschienenen "El Topo" noch einmal verbessert. Als Midnight Movie längst in einen Kultstatus unter den Freunden des außergewöhnlichen Films erhoben, offenbart sich dem Zuschauer hier ein Film, der an Brillanz nur sehr schwer zu überbieten ist. Dabei sollte man allerdings eine Vorliebe für die Arbeiten des chilenischen Regisseurs sein Eigen nennen, denn dem normalen Mainstream-Publikum wird dieses Werk nicht unbedingt zusagen. Dabei beginnt die Geschichte doch fast wie ein ganz normaler Western, wobei sich jedoch relativ schnell herausstellt, das "El Topo" unmöglich in dieses Genre einzuordnen ist. Zu stark sind die Fantasy-Einflüsse des Geschehens und so eröffnet sich mit der Zeit ein extrem außergewöhnlicher Mix aus Fantasy-und Western, der zudem auch noch mit vielen religiösen Elementen versehen ist. Im Prinzip wird lediglich die Wandlung eines Mannes erzählt der zu Beginn als scheinbar kaltherziger Revolverheld die Gegend unsicher macht und in der zweiten Filmhälfte eine Wiederauferstehung als eine Art Messias feiert. Das hört sich nun nicht gerade sonderlich spektakulär an doch wer Jodorowsky und seine Filme kennt kann sich bestimmt denken, das die Umsetzung des Ganzen äußerst kontrovers ausfällt. Und so spaltet sich die Story dann auch in zwei vollkommen unterschiedliche Hälften, wobei insbesondere der erste Teil der Ereignisse noch die stärksten Western-Anleihen erkennen lässt. Wilde Schießereien und teilweise recht blutige Passagen verleihen dem Szenario dabei den nötigen Anstrich, aber dennoch wird auch schon in der Einführung sorgfältig darauf geachtet, den Abläufen eine surreale Note zu geben.

      Selbst blasphemische Momente geben sich zu erkennen, hält sich doch die Hauptfigur selbst für einen Gott so das es einen nicht wirklich verwundert, wenn der gute Mann in vier Duellen gegen übernatürliche Gegner antritt, um diese in einem nicht immer fairen Zweikampf zu besiegen. Angestachelt wird er dazu von der hübschen Mara die ihn zur Tötung der Gegner förmlich nötigt. Dabei wendet sie die Waffen einer Frau an und will sich "El Topo" nur hingeben, wenn er alle vier Männer tötet. An dieser Stelle tritt auch der sexuelle Aspekt der Geschichte in Kraft, der sich in der Folge auch noch in etlichen anderen Passagen zu erkennen geben soll. So werden einem beispielsweise auch zarte Töne der Homosexualität präsentiert, wobei der Regisseur an dieser Stelle beide Geschlechter zum Zuge kommen lässt. Dennoch spielt der sexuelle Aspekt eher eine untergeordnete Rolle, denn immer mehr rückt die religiöse Hintergrund-Thematik in den Fokus des Geschehens und kann sich dabei vor allem in der zweiten Hälfte der Geschichte mit ihrer ganzen Kraft entfalten. Nachdem der Revolverheld nämlich von Mara verraten-und erschossen wurde, wacht er nach etlichen Jahren nicht nur rein optisch vollkommen verändert im inneren eines Berges auf. Aus dem ehemaligen Killer ist mittlerweile eine Art Erlöser geworden, der seine ganze Kraft nun der Aufgabe widmen will, seine Retter aus ihrem steinernen Gefängnis zu befreien. Es handelt sich dabei um körperlich behinderte-und ausgestoßene Menschen, die in "El Topo" ein gottähnliches Wesen sehen, das sie aus der Finsternis im inneren des Berges befreien soll. Ich weiß nicht ob man es nachvollziehen kann, doch an diesem Punkt kamen bei mir persönlich Erinnerungen an das filmische Meisterwerk "Die zehn Gebote" auf, in dem Charlton Heston einst den Moses spielte, der sein Volk aus der Knechtschaft der Ägypter befreit hat.

      Ganz abwegig erscheint dieser Vergleich auch nicht wirklich, obwohl sich der Rest der Erzählung sicherlich vollkommen anders gestaltet als man es aus der Geschichte von Cecil B. DeMille aus dem Jahr 1956 her kennt. Dennoch sind gewisse Parallelen unübersehbar und das verleiht dem vorliegendem Werk noch mehr Brillanz, als es von Haus aus schon der Fall ist. Nun verhält es sich aber keinesfalls so, das die zweite Stunde des 120 Minuten Werkes ausschließlich mit einer religiösen Thematik verbringt, denn Jodorowsky hat seiner Erzählung selbstverständlich jede Menge surrealer Momente beigefügt, so das sich letztendlich ein teilweise skurriles Treiben erkennen lässt. Nicht so ausgeprägt wie in "Fando & Lis", aber dennoch absolut außergewöhnlich ergibt sich so eine äußerst faszinierende Kombination, die dieses Werk in den Rang eines manchmal grotesk anmutenden Meisterwerkes erhebt, das man unmöglich einem bestimmten Genre zuordnen kann. Alejandro Jodorowsky zeichnet hier übrigens nicht nur für die Regie verantwortlich, denn gleichzeitig hat er auch noch das Drehbuch geschrieben und tritt ganz nebenbei auch in der Hauptrolle des Revolverhelden auf. Ihm zur Seite steht zumindest zu Beginn auch sein damals siebenjähriger Sohn Brontis, der gleich am Anfang der Geschichte in einer Passage voller Symbolik förmlich die Unschuld eines Kindes verliert und mit dem harten-und rauen Leben eines Erwachsenen konfrontiert wird. Ganz generell sollte man darauf vorbereitet sein, das die Ereignisse durchgehend immer wieder mit einer stark ausgeprägten Symbolhaftigkeit ausgestattet sind, wobei die Deutung jeweils nicht offen auf der Hand liegt, sondern vielmehr der Interpretation des jeweiligen Beobachters überlassen ist. Wie dem aber auch sei und ganz egal wie man manche Dinge deuten mag, "El Topo" ist ein wirklich außergewöhnliches Stück Film, das man unbedingt gesehen haben sollte. Zudem ist der Film auch trotz der surrealen Einlagen weitaus zugängiger für den Zuschauer, als es noch bei "Fando & Lis" der Fall war, der zu viele Dinge der eigenen Interpretation überlassen hat.

      Dennoch ist auch diese mit gerade einmal geschätzten 400.000 $ ausgestattete Produktion alles andere als seichte Filmkost und deshalb wohl auch nicht dem normalen Mainstream-Publikum zu empfehlen. Trotzdem sollte im Prinzip einmal ein jeder einen Blick riskieren, denn einigen Leuten wird sich so eventuell ein visueller Hochgenuss offenbaren, den man so nicht erwartet hätte. Auch die 120 Minuten Spielzeit scheinen genau richtig gewählt und jede einzelne-und noch so kleine Einstellung ist ein wichtiger Mosaikstein im großen Ganzen, das am Ende einen rundum gelungenen und extrem stimmigen Eindruck hinterlässt und den Zuschauer mit einem starken Gefühl der Befriedigung aus diesem Werk entlässt. Zu erwähnen sei am Ende auch noch der erstklassige Soundtrack von Alejandro Jodorowsky und Nacho Méndez, die den teilweise skurrilen Eindruck des Geschehens mit ihrer musikalischen Untermalung noch einmal besonders hervorheben. So kann dann letztendlich auch das bittere Finale der Story ein wenig leichter verdaut werden, das der ganzen Chose noch eine extrem tragische Beinote angedeihen lässt. Alles zusammen genommen kann man "El Topo" wohl ohne zu übertreiben als einen absolut herausragenden Film einstufen, der meiner persönlichen Meinung nach sogar das Prädikat Meisterwerk ohne wenn und aber verdient hat.

      Fazit:

      Nach "Fando & Lis" ist "El Topo" nun der zweite Film aus der kürzlich vom Label Bildstörung veröffentlichten Jodorowsky-Box und stellt für mich definitiv das bisherige Highlight dar. Auch hier präsentiert sich die DVD in einem hübschen Digipack, dem gleichzeitig auch noch eine Soundtrack-DVD beiliegt, so das man von einem echten Schmankerl sprechen kann.

      10/10