Teufelskreis Y (1968)

      Teufelskreis Y (1968)



      Teufelskreis Y
      (Twisted Nerve)
      mit Hayley Mills, Hywel Bennett, Billie Whitelaw, Phyllis Calvert, Frank Finlay, Barry Foster, Salmaan Peerzada, Christian Roberts, Gretchen Franklin, Thorley Walters, Russell Napier, Timothy Bateson, Timothy West
      Regie: Roy Boulting
      Drehbuch: Roger Marshall / Roy Boulting / Leo Marks
      Kamera: Harry Waxman
      Musik: Bernard Herrmann
      ungeprüft
      Großbritannien / 1968

      Der junge Martin Durnley wird von seiner Mutter trotz seines Alters noch wie ein Kind behandelt. Mit seinem Stiefvater steht er in ständigem Konflikt. Als er sich in die junge Susan verliebt, deren Mutter eine Pension betreibt, schmiedet er einen teuflischen Plan. Er gibt sich infantil, um bei ihnen aufgenommen zu werden um den Mord an seinem verhassten Stiefvater vorbereiten zu können. Als Susan seine Annäherungsversuche abweist, bricht endgültig der Psychopath in ihm durch...

      Bevor man sich überhaupt mit dem vorliegenden Film auseinandersetzen kann wird man zunächst mit der zumeist gepfiffenen Titelmelodie von "Teufelskreis Y" konfrontiert, die man ganz sicher aus Tarantinos "Kill Bill" her kennt. Danach jedoch offenbart sich dem Zuschauer ein äußerst hochklassiges Szenario, in dem einem wissenschaftliche Zusammenhänge zwischen dem sogenannten Down-Syndrom und psychopathischen Wesenszügen von Familienangehörigen näher gebracht werden sollen. Dabei wird jedoch gleich im Vorspann durch einen Einspieler darauf hingewiesen, das es sich an dieser Stelle um rein fiktive Thesen handelt, für die es keinerlei wissenschaftliche Fakten gibt. Und obwohl man sich dessen bewusst ist vermittelt einem das Geschehen jederzeit den Eindruck, das man hier wirklich einen Zusammenhang herstellen könnte, was sicherlich eine der ganz großen Stärken der vorliegenden Geschichte darstellt. In deren Mittelpunkt steht der junge Martin, der ganz augenscheinlich unter seiner nicht unbedingt tollen familiären Situation leidet. Sein Bruder leidet unter Mongolismus und wird fristet sein Dasein in einer Spezial-Klinik. Nicht nur das der Junge nur noch kurze Zeit zu leben hat, wird er auch noch von der Mutter verleumdet, die seine Existenz offenbar vor dem Stiefvater verheimlicht. Dieser wiederum wird von Martin nahezu gehasst und will diesem unbedingt ein Leben nach seinen Vorstellungen aufzwingen. Und dann wäre da noch die Mutter, die wohl ganz eindeutig seit Martins frühester Kindheit versäumt hat, ihrem Sohn eine gewisse Selbstständigkeit beizubringen und ihn stattdessen wie eine Glucke behütet hat.

      Aus dieser Grundsituation heraus kann man schon recht gut erkennen, das der Charakter des Martin wohl äußerst zwiespältig sein muss und genau dieser Aspekt soll in der Folge von Regisseur Roy Boulting absolut brillant herausgearbeitet werden. Ebenso verhält es sich auch mit der Sichtweise des Betrachters, denn wenn man zu Beginn noch ziemlich starke Sympathiewerte für die Hauptfigur entwickelt, so ändert sich diese Einstellung doch mit zunehmender Laufzeit äußerst rigoros. Bis dahin dauert es allerdings eine geraume Weile, denn selbst als der junge Mann in die Rolle des infantilen Georgie schlüpft um seiner Angebeteten Susan näher zu kommen überkommt einen noch nicht das Gefühl, es mit einer krankhaft veranlagten Persönlichkeit zu tun zu haben. Das ändert sich dann schlagartig, als der Psychopath aus dem jungen Mann heraus kommt, denn dies geschieht mit einer unglaublichen Wucht und Eiseskälte, das es einem kalt über den Rücken läuft. Hatte man zunächst noch den Eindruck das Martin an dieser Stelle viel eher ein etwas perfides Spiel in Gang bringt, durch das er Pluspunkte bei Susan ergattern will, so verselbstständigt sich das Ganze immer mehr zu gut durchdachten Handlungen, die lediglich einem kranken Hirn entspringen können. Insbesondere dem fantastischen Schauspiel von Hywel Bennett (Martin / Georgie) ist es zu verdanken, das die Abläufe eine Intensität an den Tag legen, die einem streckenweise wirklich zu schaffen macht. Anscheinend zu keiner echten Gefühlsregung fähig, verfolgt der Junge einen nahezu teuflischen Plan, der auch diverse Menschenleben kosten soll.

      Die zu Beginn noch vorhandene Sympathie wandelt sich beim Betrachter zunächst in völlige Ungläubigkeit, bevor sie dann in die totale Ablehnung übergeht, um dann jedoch zum Ende hin wiederum Mitleid in einem aufkommen zu lassen. Und so gestaltet sich die gesamte Geschichte dann schon fast wie ein emotionaler Spießrutenlauf, muss man sich doch zwangsläufig und durchgehend mit einem vielschichtigen Gefühls-Spagat auseinandersetzen, der einem so richtig zusetzt. Dabei stellt sich dann auch immer wieder die Frage ob Martin schlicht und ergreifend ein schlechter Mensch ist, oder ob hier wirklich Zusammenhänge aufgrund der Down-Erkrankung seines Bruders hergestellt werden können. Aus diesem Aspekt bezieht "Teufelskreis Y" seinen ganz besonderen reiz und sondert dabei eine unglaublich starke Faszination ab, der man sich unmöglich entziehen kann. Auch die während des Geschehens immer wieder eingestreuten Erklärungen diverser Wissenschaftler verstärken den Eindruck, das die menschliche Chromosomen-Thematik sehr wohl eine gewichtige Rolle für das Verhalten von Martin tragen könnte. Boulting hat hier wirklich ganz hervorragende Arbeit geleistet und erzählt eine Geschichte, die eine mehr als gelungene Kombination aus Drama-und Thriller mit psychologischem Tiefgang darstellt und gleichzeitig auch das Genre des Horrorfilms zumindest ankratzt. Die dadurch entstehende Mischung ist teilweise höchst explosiv und offenbart einen inhaltlich tief gehenden Film auf höchstem Niveau. Ein dramaturgisch absolut perfekt aufgebauter Spannungsbogen und eine bedrohlich-dichte Grundstimmung lassen hier keinen Zweifel daran, das man es mit einem außergewöhnlich guten Genre-Mix zu tun hat, der auch nach mehreren Jahrzehnten nichts von seinem Reiz verloren hat.

      "Teufelskreis Y" kann so also durchaus zu den absolut zeitlosen Werken gezählt werden und hat seine Höhepunkte nicht nur in der erstklassig aufgebauten-und erzählten Story, sondern auch im dargebrachten Schauspiel der Protagonisten. Während ein Barry Foster schon in einer Nebenrolle glänzt, bietet die bildhübsche Hayley Mills in der weiblichen Hauptrolle auch rein optisch einen echten Leckerbissen. Überstrahlt wird das alles jedoch fast spielerisch von einem faszinierend gut aufspielenden Hywel Bennett, der durch seine Omnipräsenz und die grandiose Performance ein herausragendes Highlight setzt. Die offensichtliche Vielschichtigkeit seines Charakters kommt in jeder einzelnen Einstellung perfekt durch und vermittelt dem Zuschauer den Eindruck, es hier mit einem seelisch sehr kranken Menschen zu tun zu haben. Und obwohl die im Film aufgestellten Thesen lediglich fiktiv sind, präsentiert sich hier der Prototyp eines gestörten Psychopathen, der jederzeit dazu in der Lage zu sein scheint, seine Umgebung und seine Mitmenschen in die Irre zu führen, um dann mit einer nicht zu erahnenden Eiseskälte seine grausamen Taten auszuführen. Letztendlich sollte sich natürlich jeder selbst ein Bild von dieser extrem spannenden - und interessanten Geschichte machen, die einen von der ersten bis zur letzten Minute in ihren Bann zieht und durch die nicht beweisbaren wissenschaftlichen Thesen einen zusätzlichen Spannungspunkt setzt. Wer "Teufelskreis Y" noch nicht kennen sollte muss diesen Umstand unbedingt ändern, ansonsten verpasst man nämlich eine Genre-Kombination die es wirklich in sich hat.

      Fazit:

      Ganz egal, wie man zu den aufgestellten Thesen in diesem Film steht, sie bilden auf jeden Fall das Grundgerüst für eine Erzählung voller Spannung, Atmosphäre und psychologischer Tiefe, wie man sie in vorliegender Form und Qualität nicht jeden Tag geboten bekommt. Hier lohnt sich eine Anschaffung der DVD auf jeden Fall, denn "Teufelskreis Y" wird ganz bestimmt noch oft genug im heimischen DVD-Player landen.

      9/10