Das Omen
Alle tausend Jahre wieder, von unvorhersehbaren kalendarischen Reformen abgesehen, darf man den 06.06.06 schreiben.
Der Teufel freut sich mit euch allen. Sehr wahrscheinlich gab es keinen anderen Grund, ein Remake des Teufelsfilms »Das Omen« zu produzieren, als eben dieses feierliche Datum. Der Starttermin des Films jedenfalls wurde vom üblichen Donnerstag extra auf den heutigen 6.6.6. vorverlegt. So eine Gelegenheit darf man nicht ungenutzt verstreichen lassen. Der Teufel findet wieder Arbeit.
Eine gute Gelegenheit auch, mal wieder die Heilige Schrift zu zitieren. Am besten gleich jene mysteriöse Stelle, die uns den ganzen Mist überhaupt eingebrockt hat: »Und ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache. (...) Und es tut große Zeichen, so daß es auch Feuer vom Himmel auf die Erde fallen läßt vor den Augen der Menschen; und es verführt, die auf Erden wohnen, durch die Zeichen, die zu tun vor den Augen des Tieres ihm Macht gegeben ist; und sagt denen, die auf Erden wohnen, daß sie ein Bild machen sollen dem Tier (...) Und es macht (...), daß niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens. Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist 666« (Offenbarung 13.11-18).
Mit Wohlwollen denken wir an die vielen armen Irren, die ihre Zeit damit verbringen, in jenen dem Warenstrichcode beliebiger Preisschilder beigesellten Zahlen lediglich Varianten der Zahl des Großen Gehörnten Tieres zu entdecken. Und in tiefer Bewunderung danken wir auch der Filmindustrie, daß sie dem Bild des Tieres das Laufen und Reden beigebracht hat, damit wir es, in Furcht, getötet zu werden, auch anständig anbeten können.
Der Text der Offenbarung ist letztlich doch ganz einfach zu verstehen. Er ist eine Handlungsanweisung, herzerfrischend dämlich zu sein.
Der Film beginnt mit einer Szene in der Sternwarte des Vatikans. Eine Sternschnuppe ist zu entdecken, symbolkräftige Ähnlichkeiten mit dem Stern von Bethlehem und dem Himmelsfeuer der Offenbarung nicht ausgeschlossen. Der Priester-Astronom läuft zu seinem Chef, dem obersten Katholiken auf Erden, und hält ihm einen warnend erklärenden Diavortrag über biblische Prophezeiungen und Katatstrophen in Natur und Politik aus der jüngeren Vergangenheit (9/11, Flutkatastrophe in Asien). Der real existierende Papst, Stern Bayerns und erfahrener Meister der Textexegese, hätte seinen Mitarbeiter wahrscheinlich väterlich milde belächelt, nicht aber der Filmpapst. Dem fällt vor Schreck das Weinglas aus der Hand.
Um die Ecke vom Vatikan wird dann einem US-amerikanischen Diplomaten, immerhin Patensohn des amtierenden Präsidenten, in einer sinistren römischen Geburtsklinik der leibhaftige Sohn des Satans als Adoptivkind angedreht. Zukünftige Karriereoptionen: optimal. Das Unglück nimmt seinen Lauf.
Mit Katholizismus hat der Film natürlich nicht viel zu tun, eher mit einer ketzerisch amerikanisch-protestantischen Propagandasicht davon, mit Anspielungen auf Klassiker wie Jesuitenverschwörung und Satanismus der politischen Klasse. In der Literaturgeschichte wiederum gilt der Satan seit seinem Porträt in Miltons »Paradise Lost«, allerspätestens dann seit der Romantik bekanntlich eher als Personifikation melancholischer Eleganz und stolzen philosophischen Aufstandes. Nur in Film und Fernsehen muß er immer wieder den Kinderschreck spielen. Film ist kindisch.
Das Remake geht über Richard Donners Original von 1976 nicht besonders hinaus. Damals mußte Lee Remick die Satansbrut um den Preis ihres Lebens aufziehen, und Gregory Peck sah dabei zu (als ich den Film als Kind im TV sah, erinnerte er mich irgendwie an Helmut Schmidt). Einen großen Unterschied aber gibt es wohl. In den 70ern sehnte man sich das Böse als kranken Witz förmlich herbei (Satansfilme und schwarze Messen waren große Mode), in der Gegenwart will man es tatsächlich überall gesehen haben. Das Remake findet dafür die treffenden Orte ? Rom, Jerusalem, London (Babylon?) ? und das richtige Personal: sabbernde trunksüchtige Priester, in der Originalfassung mit irischem Akzent. Für jeden ist das Passende aus dem Herzen des Schwachsinns dabei: für den Kenner geleckte Einstellungen, in denen katholische Ikonographie parodiert (satanistisch umgedreht) wird, für die Dumpfbacken der Verschwörungskram (in einer Szene wird dank eigenwilliger Textauslegung die real existierende EU zum Unheiligen Römischen Reich des Bösen!).
Die süße Mutter der Satansbrut ist anstelle von Lee Remick diesmal Julia Stiles. Sie fühlt sich offensichtlich unwohl. In einer Szene posiert sie im blutroten Morgenmantel in einem lichtdurchfluteten Riesenbadezimmer und schiebt sich die Zahnbürste in den Mund, als wäre das der Opferdolch der Teufelsanbeter. Gouvernante der Satansbrut ist übrigens keine geringere als Mia Farrow, die ja schon 1967 »Rosemaries Baby« auszutragen hatte. Mia Farrow sieht in dem Film sehr »gotisch« aus. »Oh Satan, erbarme meiner langen Misere dich« (Baudelaire).
»Das Omen«, Regie: John Moore, USA 2006, 100 Minuten, Kinostart: 06.06.06
grade gelesen :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted: :twisted:
Das Leben ist ein Alptraum aus dem es kein Erwachen gibt!
Homo Hominem Lupus!
Homo Hominem Lupus!